Zum Inhalt springen

Monat: Dezember 2021

Zwangspause

Kaum angefangen geht es schon wieder in die Zwangspause. Nicht wegen der Weihnachtsfeiertage, sondern wegen diverser Corona-Ausbrüche in den Einrichtungen. Weder wollen wir es irgendwo hinbringen, noch möchten wir uns eine Infektion als kleines Souvenir aus den Einrichtung mit zu unseren Familien nach Hause nehmen. Auch nehmen wir so Rücksicht auf die Ausnahmesituation, die ein solches akutes Ausbruchsgeschehen für die Menschen bedeutet.

Daher dann aktuell eben keine geplanten Regelbegehungen. Die Planung für Anfang des nächsten Jahres steht schon. Aber wie heißt es so schön? Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen…

Aber ich will mich ja gar nicht beschweren – es könnte viel schlimmer sein, als vorübergehend nichts zu tun zu haben! Zum Beispiel so viel zu tun zu haben, dass man alles andere um sich herum zurückstellen muss, wie essen, trinken, zur Toilette gehen… Um nichts in der Welt wollte ich (und könnte ich fachlich betrachtet) mit einer Intensiv-Pflegefachkraft tauschen. Zum einen, weil ich schon zu sehr moralisch verletzt bin, um das noch wirklich ertragen zu können. Zum anderen, weil ich meine fachlichen Grenzen kenne und mich über die Jahre einfach in eine ganz andere Richtung entwickelt habe.

Moralisch verletzt

Das ist nicht nur wieder so ein Begriff, der auf Social Media hochkocht. Für unfassbar viele Pflegekräfte gehören moralische Verletzungen zum beruflichen Alltag. Wir haben es ja (alle) mal “besser” gelernt, als es uns heute die Personaldecke und die Zeit ermöglicht umzusetzen.

Wie jeder Einzelne damit umgehen und wieviel er ertragen kann, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber eines haben alle gemein: Irgendwann ist das Maß voll!

Moralische Verletzungen geschehen nicht nur in Pandemien. Unser Gesundheitssystem ist leider auf Profite ausgerichtet, wodurch sowohl der Mensch hinter dem Pflegegrad bzw. der DRG als auch der Mensch hinter der Pflegeleistung bzw. der medizinischen Leistung verloren geht.

Jedes Mal, wenn man nicht die Zeit hat, einen anvertrauten Menschen so zu versorgen, wie er/sie es eigentlich bedürfte, hinterlässt es eine kleine “Verletzung”. Passiert das Mal, kann man das noch ganz gut verschmerzen. Wird es allerdings zur Regel, stellt das sowohl für die Pflegekraft ein großes Problem dar, allerdings auch auf Dauer für unsere Gesellschaft.

Da helfen weder abendliches Klatschen, noch Lavendelpflänzchen weiter – aber sie schaden wenigstens nicht. Was ich persönlich aber ziemlich kritisch sehe, sind die “Heldenverehrungen” von Pflegekräften – denn das verstärkt noch die Dissonanz zwischen dem eigenen Selbstbild (also dem Wissen, dem eigenen beruflichen Ideal nicht gerecht werden zu können) und der (fachlich inkompetenten) Außenwelt, welche diese Leistung des schieren “Durchhaltens” honoriert.

Es muss sich etwas langfristig und grundlegend ändern!

Und das sehr bald! Sonst ist “nach der Pandemie” gleichbedeutend mit “nach einem funktionierenden Gesundheitswesen”.

Langfristig müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden. Es kann nicht sein, dass ein planbares Privatleben eher eine Ausnahme als die Lebensrealität darstellt. Es braucht mehr Personal und bessere Fortbildungsangebote. Und das ist erst der Anfang!

Aber das ist in der aktuellen Situation weder kurzfristig umsetzbar, noch würde es die Belastungen reduzieren. Das Einzige, was aktuell helfen könnte, die Belastungen zu senken, wären konsequente Kontaktbeschränkungen in der gesamten Bevölkerung mindestens bis sich die Lage in den Kliniken entspannt und die Ausbrüche in den Pflegeeinrichtungen zurückgehen. Wir dürfen noch gespannt sein, ob und wann das kommen mag.

Wir sind nun an dem Punkt, an dem wir uns die Frage stellen müssen: Ist uns unser Gesundheitswesen, wie wir es bisher kannten, wirklich diese Anstrengungen wert? Können und wollen wir uns den Verzicht auf diese Anstrengung leisten? Oder beschweren wir uns lieber, wenn das ganze System an die Wand gefahren wurde?

Naja, vielleicht nach Weihnachten oder im Neuen Jahr!

Prioritäten – so wichtig!

Heute entgegen der Ankündigungen keine Fortsetzung von letzter Woche – ich befinde mich schließlich in der Zwangspause! Das kommt im neuen Jahr, versprochen 😉

Mit besten Grüßen aus der selbstgewählten, kuschelig-gemütlichen
Familien-Weihnachts-Vor-Quarantäne! Bleibt gesund

Leave a Comment

Widerstand zwecklos

Unangemeldet stehen sie plötzlich in der Tür: einige Damen und Herren von der Heimaufsicht. Ich kann ja nur für unser Team sprechen, wir sind immer sehr freundlich, rücksichtsvoll und beißen wirklich nicht – aber wir sind auch sehr bestimmt und lassen uns nicht wieder abwimmeln.

Aussagen wie: “Ausgerechnet heute passt es so gar nicht, wir sind heute unterbesetzt. Können Sie nicht nächste Woche wiederkommen?” kommen gar nicht gut an und führen eher dazu, dass wir ganz genau hinschauen, wie es personell gerade (oder vielleicht generell?) so ausschaut. Den Finger in die Wunde legen ist schließlich unser Job – auch und gerade erst recht bei den Rahmenbedingungen, die in der Verantwortung der Heimleitungen und Pflegedienstleitungen liegen.

Und jetzt mal Hand aufs Herz: Gibt es überhaupt heutzutage noch diesen ominösen Zeitpunkt, wenn ausreichend Personal vorhanden ist, um den Bewohnern optimal gerecht zu werden, die Pläne alle so sind, wie sie sein sollten und die Pflegebereiche tipp-topp aufgeräumt sind, sodass die Heimaufsicht “gelegen” kommt? Ich habe das noch nie erlebt – egal, in welcher Rolle ich die Begehungen begleitet habe.

Also merkt euch liebe PDLs: Wenn die Heimaufsicht einmal in der Tür steht, verschwindet sie nicht einfach wieder, ohne dass sie sich ein Bild von der aktuellen Lage gemacht hat – dann kann man auch gleich die ganzen Ablenkungs- und Ausweichmanöver sein lassen und einen möglichst reibungslosen Ablauf unterstützen. Das liegt nämlich im Interesse aller Beteiligten und beschleunigt die Begehung ungemein, sodass ihr es schneller hinter euch habt und euch wieder dem Tagesgeschäft zuwenden könnt.

Ehrlichkeit währt am Längsten

Ausreden und Schönfärberei bringen einfach nichts. Im Gegenteil, das schadet nur! Die Allermeisten, die bei und mit der Heimaufsicht arbeiten, wissen doch auch ganz genau, wo der Hase im Pfeffer liegt. Wir wissen doch um die Personalnot, den oft hohen Krankenstand aufgrund der Belastungen, die der Pflegeberuf mit sich bringt. Habt ein bisschen Vertrauen, dass wir an die Situation mit Einfühlungsvermögen und Empathie herangehen. Unehrlichkeit und Beschönigungen führen nur dazu, dass man aus den Problemen und den Defiziten nicht lernt, sondern sie als gegeben beiseite schiebt – denn man hat ja die passende Erklärung. Es macht also absolut keinen Sinn, die Realität zu verzerren – spätestens bei der Sichtung der Dokumentation fliegt es ohnehin auf.

Stellt euch doch mal die Frage, wie ihr persönlich darauf reagiert, wenn ihr das Gefühl habt, dass euer Gegenüber nicht so ganz ehrlich zu euch ist oder versucht, etwas unter den Teppich zu kehren. Werdet ihr dann nicht auch misstrauisch und schaut genauer hin, um den Haken zu entdecken? So geht es zumindest uns, wir sind ja auch nur Menschen und außerdem ist es unser Job.

Die beste Strategie ist in der Tat Ehrlichkeit und Offenheit. Bei den jährlichen Regelbegehungen wird in erster Linie nach den bei vergangenen Begehungen festgestellten Beanstandungen geprüft und dann in die Ecken geschaut, für die man im Laufe der Begehung einen konkreten Anlass geliefert bekommt – sei es, weil krampfhaft ein Bereich oder bestimmte Themen gemieden werden oder sich Ungereimtheiten in den Gesprächen ergeben.

Wie ich entscheide, wer visitiert wird

Ich persönlich setze mich immer ganz gerne als erstes eine Weile von der Gruppe ab und lasse die Einrichtung auf mich möglichst unvoreingenommen wirken. Meistens fallen mir dann schon die ersten Bewohner auf, die ich zum Visitieren in meine engere Auswahl aufnehme, aber hauptsächlich lasse ich das jeweilige Wohnkonzept auf mich wirken. Ist eine Balance zwischen Individualität der Wohnbereiche und Strukturierung erkennbar? Wird sowohl der Ordnung und Hygiene als auch dem Wohnraumcharakter Rechnung getragen? Wie wirken die Bewohner auf den ersten Blick?

Wenn ich so gar kein Konzept erkennen kann, dass zumindest den Versuch erkennen lässt, Menschen mit einer eingeschränkten Orientierungsfähigkeit gerecht werden zu wollen, ist grundsätzlich immer mindestens ein Bewohner dabei, der eine fortgeschrittene Demenz hat. Glänzt die Einrichtung durch blitzsaubere, blanke Böden, aber nirgends sind Handläufe oder Haltegriffe zu finden, liegt mein Fokus mehr auf Bewegungseinschränkungen, Hilfsmittelgebrauch und alles rund ums Sturzrisiko. Finde ich im offenen Bereich keine Anhaltspunkte auf ein entsprechendes Beschäftigungsangebot wie ein Programm oder Collagen mit Bewohnerbildern von der letzten Festivität, dann schaue ich mir die Berichte und Anamnesen / SIS ganz genau an.

Meistens sind es zwischen sechs und acht Bewohner, für die die Einverständnis zur Pflegevisite von meinen Kollegen eingeholt wird. Wenn ich nach meinem “Streifzug” dann noch offene Plätze auf meiner Liste der Pflegevisiten offen habe, wähle ich entsprechend des Pflegeaufwandes aus: PG 4 und aufwärts, bevorzugt die Bewohner mit freiheitsentziehenden Maßnahmen, Wundversorgung, Katheter, PEG etc.

Und dann fängt der Spaß erst so richtig an – aber da geht es dann in der nächsten Woche weiter 😉

Leave a Comment

Wie die Jungfrau zum Kinde

Was ist der schnellste Weg, sich als Pflegefachkraft überall wo man hinkommt augenblicklich unbeliebt zu machen? Richtig! Man kommt mit der Heimaufsicht!

Wer in einer Pflegeeinrichtung arbeitet – unabhängig von Qualifikation und Position – kennt vermutlich diese unterschwellige Panik, die aufsteigt, sobald die Ankunft der Heimaufsicht wie ein Lauffeuer die Runde macht. Ich habe es etliche Male aus unterschiedlichen Positionen heraus erlebt: als Pflegeschülerin bei meinem Außeneinsatz in der Sozialstation, als Examiniert im Pflegeheim, als stellvertretende PDL sowohl in stationärer als auch ambulanter Pflegeeinrichtung. Ich kenne die Ablenkungsmanöver, zu denen nur zu gerne gegriffen wird. Für so manche Versuche, die “Kontrolletties” hinters Licht und in die “passende Richtung” zu führen, kann man durchaus Verständnis haben – schließlich tut es weh, wenn jemand von Außen ohne Vorwarnung kommt und den pedantischen Finger in die Wunde legt. Dabei wird nur leider allzu oft vergessen, dass wir doch alle das gleiche Ziel verfolgen:

Wir alle – Pflegekräfte vor Ort UND die Heimaufsicht – wollen doch nur sicherstellen, dass es den Pflegebedürftigen in den Einrichtungen gut geht und sie vor Schäden bewahrt bleiben!

Nicht erst seit der Privatisierung des Gesundheits- und Pflegesektors mit den damit einhergehenden Problemkindern “Rentabilität”, “Profitgier” und “Effizienzsteigerung” braucht es eine Instanz, die dafür sorgt, dass die Versorgung der Pflegebedürftigen nach wie vor noch im Fokus bleibt.

Es ist ja nun kein Geheimnis, dass der Träger umso höhere Gewinne erzielt, je mehr Bewohner mit hohem Pflegegrad mit möglichst wenigen Pflegekräften versorgt werden. Da in dieser Rechnung die Pflegequalität aber keinerlei Berücksichtigung findet, braucht es die Heimaufsicht, um Pflegebedürftige UND Pflegekräfte vor Schäden durch die systemische Ausrichtung auf Gewinnerzielung zu schützen. Und trotzdem ist man zumindest “unbeliebt” (manchmal auch das “ultimative Feindbild” oder “Luzifer höchstpersönlich”), sobald man die Einrichtung betritt.

Also: Wie kommt man dazu, freiwillig “Schwester Unbeliebt” zu werden?

Und da kam ich tatsächlich zu, wie die Jungfrau zum Kinde. Mich rief der ehemalige Schulkamerad meines Mannes an – nennen wir ihn mal Mr. S – und fragte mich, ob ich einsteigen könne, weil sie in kürzester Zeit zwei weitere Honorarkräfte verloren hatten. Da das Timing nahezu perfekt war, weil ohnehin eine Neuorientierung nach der beruflichen Pause anstand, brauchte ich nicht lange überlegen. “Klar, schau ich mir an!”

Und nach dem Anschauen kam das Zusagen – denn mit dem “Unbeliebt machen” hatte ich noch nie ein Problem, die notwendige Beobachtungsgabe ist berufsbedingt anerzogen, Berichte schaffe ich auch halbwegs unfallfrei zu formulieren und wenn ich irgendwo eine Ungereimtheit wittere, verbeiße ich mich schonmal wie ein Pitbull.

Und jetzt mal ganz ehrlich: Warum denn auch nicht?

Ich habe als Pflegekraft gearbeitet mit dem Ziel, alle mir anvertrauten Pflegebedürftigen nach dem aktuell anerkannten Stand der Wissenschaft pflegerisch zu versorgen und zur bestmöglichen Lebensqualität beizutragen – ein unter den gegebenen Rahmenbedingungen unerreichbares Ziel.

Ich habe als Wohnbereichsleitung und stellvertretende Pflegedienstleitung versucht, meinen KollegInnen und MitarbeiterInnen so weit es jeweils in meiner Verantwortung lag und möglich war, Rahmenbedingungen wie zeitliche Ressourcen, angepasste Arbeitszeiten, etc. zu schaffen, die ihren individuell empfundenen Grad der Belastung senken und zur Zufriedenheit beitragen – das das nicht im Ansatz ausreichend möglich war, wie es die Pflegekräfte benötigt und verdient hätten, muss ich wohl den Wenigsten erklären.

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jemals auch nur einer/m Pflegebedürftigen wirklich gerecht geworden bin, sondern nur von einem zum nächsten hetzen musste – über Jahre! Die Arbeitssituation von Pflegekräften in meinem Verantwortungsbereich nachhaltig verbessert zu haben, würde ich mir auch nicht auf die Fahne schreiben wollen – der Versuch war eher wie ein Kämpfen gegen Windmühlen! Ich habe nicht das Gefühl auch nur in irgendeiner Weise “wirksam” gewesen zu sein – und das empfinde ich mehr als nur unbefriedigend!

Ob sich das Gefühl, etwas zum Besseren bewegen zu können, einstellen wird durch meine Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht? Wir werden sehen! Ich halte euch auf dem Laufenden 😉

Leave a Comment