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Widerstand zwecklos

Unangemeldet stehen sie plötzlich in der Tür: einige Damen und Herren von der Heimaufsicht. Ich kann ja nur für unser Team sprechen, wir sind immer sehr freundlich, rücksichtsvoll und beißen wirklich nicht – aber wir sind auch sehr bestimmt und lassen uns nicht wieder abwimmeln.

Aussagen wie: “Ausgerechnet heute passt es so gar nicht, wir sind heute unterbesetzt. Können Sie nicht nächste Woche wiederkommen?” kommen gar nicht gut an und führen eher dazu, dass wir ganz genau hinschauen, wie es personell gerade (oder vielleicht generell?) so ausschaut. Den Finger in die Wunde legen ist schließlich unser Job – auch und gerade erst recht bei den Rahmenbedingungen, die in der Verantwortung der Heimleitungen und Pflegedienstleitungen liegen.

Und jetzt mal Hand aufs Herz: Gibt es überhaupt heutzutage noch diesen ominösen Zeitpunkt, wenn ausreichend Personal vorhanden ist, um den Bewohnern optimal gerecht zu werden, die Pläne alle so sind, wie sie sein sollten und die Pflegebereiche tipp-topp aufgeräumt sind, sodass die Heimaufsicht “gelegen” kommt? Ich habe das noch nie erlebt – egal, in welcher Rolle ich die Begehungen begleitet habe.

Also merkt euch liebe PDLs: Wenn die Heimaufsicht einmal in der Tür steht, verschwindet sie nicht einfach wieder, ohne dass sie sich ein Bild von der aktuellen Lage gemacht hat – dann kann man auch gleich die ganzen Ablenkungs- und Ausweichmanöver sein lassen und einen möglichst reibungslosen Ablauf unterstützen. Das liegt nämlich im Interesse aller Beteiligten und beschleunigt die Begehung ungemein, sodass ihr es schneller hinter euch habt und euch wieder dem Tagesgeschäft zuwenden könnt.

Ehrlichkeit währt am Längsten

Ausreden und Schönfärberei bringen einfach nichts. Im Gegenteil, das schadet nur! Die Allermeisten, die bei und mit der Heimaufsicht arbeiten, wissen doch auch ganz genau, wo der Hase im Pfeffer liegt. Wir wissen doch um die Personalnot, den oft hohen Krankenstand aufgrund der Belastungen, die der Pflegeberuf mit sich bringt. Habt ein bisschen Vertrauen, dass wir an die Situation mit Einfühlungsvermögen und Empathie herangehen. Unehrlichkeit und Beschönigungen führen nur dazu, dass man aus den Problemen und den Defiziten nicht lernt, sondern sie als gegeben beiseite schiebt – denn man hat ja die passende Erklärung. Es macht also absolut keinen Sinn, die Realität zu verzerren – spätestens bei der Sichtung der Dokumentation fliegt es ohnehin auf.

Stellt euch doch mal die Frage, wie ihr persönlich darauf reagiert, wenn ihr das Gefühl habt, dass euer Gegenüber nicht so ganz ehrlich zu euch ist oder versucht, etwas unter den Teppich zu kehren. Werdet ihr dann nicht auch misstrauisch und schaut genauer hin, um den Haken zu entdecken? So geht es zumindest uns, wir sind ja auch nur Menschen und außerdem ist es unser Job.

Die beste Strategie ist in der Tat Ehrlichkeit und Offenheit. Bei den jährlichen Regelbegehungen wird in erster Linie nach den bei vergangenen Begehungen festgestellten Beanstandungen geprüft und dann in die Ecken geschaut, für die man im Laufe der Begehung einen konkreten Anlass geliefert bekommt – sei es, weil krampfhaft ein Bereich oder bestimmte Themen gemieden werden oder sich Ungereimtheiten in den Gesprächen ergeben.

Wie ich entscheide, wer visitiert wird

Ich persönlich setze mich immer ganz gerne als erstes eine Weile von der Gruppe ab und lasse die Einrichtung auf mich möglichst unvoreingenommen wirken. Meistens fallen mir dann schon die ersten Bewohner auf, die ich zum Visitieren in meine engere Auswahl aufnehme, aber hauptsächlich lasse ich das jeweilige Wohnkonzept auf mich wirken. Ist eine Balance zwischen Individualität der Wohnbereiche und Strukturierung erkennbar? Wird sowohl der Ordnung und Hygiene als auch dem Wohnraumcharakter Rechnung getragen? Wie wirken die Bewohner auf den ersten Blick?

Wenn ich so gar kein Konzept erkennen kann, dass zumindest den Versuch erkennen lässt, Menschen mit einer eingeschränkten Orientierungsfähigkeit gerecht werden zu wollen, ist grundsätzlich immer mindestens ein Bewohner dabei, der eine fortgeschrittene Demenz hat. Glänzt die Einrichtung durch blitzsaubere, blanke Böden, aber nirgends sind Handläufe oder Haltegriffe zu finden, liegt mein Fokus mehr auf Bewegungseinschränkungen, Hilfsmittelgebrauch und alles rund ums Sturzrisiko. Finde ich im offenen Bereich keine Anhaltspunkte auf ein entsprechendes Beschäftigungsangebot wie ein Programm oder Collagen mit Bewohnerbildern von der letzten Festivität, dann schaue ich mir die Berichte und Anamnesen / SIS ganz genau an.

Meistens sind es zwischen sechs und acht Bewohner, für die die Einverständnis zur Pflegevisite von meinen Kollegen eingeholt wird. Wenn ich nach meinem “Streifzug” dann noch offene Plätze auf meiner Liste der Pflegevisiten offen habe, wähle ich entsprechend des Pflegeaufwandes aus: PG 4 und aufwärts, bevorzugt die Bewohner mit freiheitsentziehenden Maßnahmen, Wundversorgung, Katheter, PEG etc.

Und dann fängt der Spaß erst so richtig an – aber da geht es dann in der nächsten Woche weiter 😉

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