Was ist der schnellste Weg, sich als Pflegefachkraft überall wo man hinkommt augenblicklich unbeliebt zu machen? Richtig! Man kommt mit der Heimaufsicht!
Wer in einer Pflegeeinrichtung arbeitet – unabhängig von Qualifikation und Position – kennt vermutlich diese unterschwellige Panik, die aufsteigt, sobald die Ankunft der Heimaufsicht wie ein Lauffeuer die Runde macht. Ich habe es etliche Male aus unterschiedlichen Positionen heraus erlebt: als Pflegeschülerin bei meinem Außeneinsatz in der Sozialstation, als Examiniert im Pflegeheim, als stellvertretende PDL sowohl in stationärer als auch ambulanter Pflegeeinrichtung. Ich kenne die Ablenkungsmanöver, zu denen nur zu gerne gegriffen wird. Für so manche Versuche, die “Kontrolletties” hinters Licht und in die “passende Richtung” zu führen, kann man durchaus Verständnis haben – schließlich tut es weh, wenn jemand von Außen ohne Vorwarnung kommt und den pedantischen Finger in die Wunde legt. Dabei wird nur leider allzu oft vergessen, dass wir doch alle das gleiche Ziel verfolgen:
Wir alle – Pflegekräfte vor Ort UND die Heimaufsicht – wollen doch nur sicherstellen, dass es den Pflegebedürftigen in den Einrichtungen gut geht und sie vor Schäden bewahrt bleiben!
Nicht erst seit der Privatisierung des Gesundheits- und Pflegesektors mit den damit einhergehenden Problemkindern “Rentabilität”, “Profitgier” und “Effizienzsteigerung” braucht es eine Instanz, die dafür sorgt, dass die Versorgung der Pflegebedürftigen nach wie vor noch im Fokus bleibt.
Es ist ja nun kein Geheimnis, dass der Träger umso höhere Gewinne erzielt, je mehr Bewohner mit hohem Pflegegrad mit möglichst wenigen Pflegekräften versorgt werden. Da in dieser Rechnung die Pflegequalität aber keinerlei Berücksichtigung findet, braucht es die Heimaufsicht, um Pflegebedürftige UND Pflegekräfte vor Schäden durch die systemische Ausrichtung auf Gewinnerzielung zu schützen. Und trotzdem ist man zumindest “unbeliebt” (manchmal auch das “ultimative Feindbild” oder “Luzifer höchstpersönlich”), sobald man die Einrichtung betritt.
Also: Wie kommt man dazu, freiwillig “Schwester Unbeliebt” zu werden?
Und da kam ich tatsächlich zu, wie die Jungfrau zum Kinde. Mich rief der ehemalige Schulkamerad meines Mannes an – nennen wir ihn mal Mr. S – und fragte mich, ob ich einsteigen könne, weil sie in kürzester Zeit zwei weitere Honorarkräfte verloren hatten. Da das Timing nahezu perfekt war, weil ohnehin eine Neuorientierung nach der beruflichen Pause anstand, brauchte ich nicht lange überlegen. “Klar, schau ich mir an!”
Und nach dem Anschauen kam das Zusagen – denn mit dem “Unbeliebt machen” hatte ich noch nie ein Problem, die notwendige Beobachtungsgabe ist berufsbedingt anerzogen, Berichte schaffe ich auch halbwegs unfallfrei zu formulieren und wenn ich irgendwo eine Ungereimtheit wittere, verbeiße ich mich schonmal wie ein Pitbull.
Und jetzt mal ganz ehrlich: Warum denn auch nicht?
Ich habe als Pflegekraft gearbeitet mit dem Ziel, alle mir anvertrauten Pflegebedürftigen nach dem aktuell anerkannten Stand der Wissenschaft pflegerisch zu versorgen und zur bestmöglichen Lebensqualität beizutragen – ein unter den gegebenen Rahmenbedingungen unerreichbares Ziel.
Ich habe als Wohnbereichsleitung und stellvertretende Pflegedienstleitung versucht, meinen KollegInnen und MitarbeiterInnen so weit es jeweils in meiner Verantwortung lag und möglich war, Rahmenbedingungen wie zeitliche Ressourcen, angepasste Arbeitszeiten, etc. zu schaffen, die ihren individuell empfundenen Grad der Belastung senken und zur Zufriedenheit beitragen – das das nicht im Ansatz ausreichend möglich war, wie es die Pflegekräfte benötigt und verdient hätten, muss ich wohl den Wenigsten erklären.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jemals auch nur einer/m Pflegebedürftigen wirklich gerecht geworden bin, sondern nur von einem zum nächsten hetzen musste – über Jahre! Die Arbeitssituation von Pflegekräften in meinem Verantwortungsbereich nachhaltig verbessert zu haben, würde ich mir auch nicht auf die Fahne schreiben wollen – der Versuch war eher wie ein Kämpfen gegen Windmühlen! Ich habe nicht das Gefühl auch nur in irgendeiner Weise “wirksam” gewesen zu sein – und das empfinde ich mehr als nur unbefriedigend!
Ob sich das Gefühl, etwas zum Besseren bewegen zu können, einstellen wird durch meine Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht? Wir werden sehen! Ich halte euch auf dem Laufenden 😉
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