Kaum angefangen geht es schon wieder in die Zwangspause. Nicht wegen der Weihnachtsfeiertage, sondern wegen diverser Corona-Ausbrüche in den Einrichtungen. Weder wollen wir es irgendwo hinbringen, noch möchten wir uns eine Infektion als kleines Souvenir aus den Einrichtung mit zu unseren Familien nach Hause nehmen. Auch nehmen wir so Rücksicht auf die Ausnahmesituation, die ein solches akutes Ausbruchsgeschehen für die Menschen bedeutet.
Daher dann aktuell eben keine geplanten Regelbegehungen. Die Planung für Anfang des nächsten Jahres steht schon. Aber wie heißt es so schön? Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen…
Aber ich will mich ja gar nicht beschweren – es könnte viel schlimmer sein, als vorübergehend nichts zu tun zu haben! Zum Beispiel so viel zu tun zu haben, dass man alles andere um sich herum zurückstellen muss, wie essen, trinken, zur Toilette gehen… Um nichts in der Welt wollte ich (und könnte ich fachlich betrachtet) mit einer Intensiv-Pflegefachkraft tauschen. Zum einen, weil ich schon zu sehr moralisch verletzt bin, um das noch wirklich ertragen zu können. Zum anderen, weil ich meine fachlichen Grenzen kenne und mich über die Jahre einfach in eine ganz andere Richtung entwickelt habe.
Moralisch verletzt
Das ist nicht nur wieder so ein Begriff, der auf Social Media hochkocht. Für unfassbar viele Pflegekräfte gehören moralische Verletzungen zum beruflichen Alltag. Wir haben es ja (alle) mal “besser” gelernt, als es uns heute die Personaldecke und die Zeit ermöglicht umzusetzen.
Wie jeder Einzelne damit umgehen und wieviel er ertragen kann, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber eines haben alle gemein: Irgendwann ist das Maß voll!
Moralische Verletzungen geschehen nicht nur in Pandemien. Unser Gesundheitssystem ist leider auf Profite ausgerichtet, wodurch sowohl der Mensch hinter dem Pflegegrad bzw. der DRG als auch der Mensch hinter der Pflegeleistung bzw. der medizinischen Leistung verloren geht.
Jedes Mal, wenn man nicht die Zeit hat, einen anvertrauten Menschen so zu versorgen, wie er/sie es eigentlich bedürfte, hinterlässt es eine kleine “Verletzung”. Passiert das Mal, kann man das noch ganz gut verschmerzen. Wird es allerdings zur Regel, stellt das sowohl für die Pflegekraft ein großes Problem dar, allerdings auch auf Dauer für unsere Gesellschaft.
Da helfen weder abendliches Klatschen, noch Lavendelpflänzchen weiter – aber sie schaden wenigstens nicht. Was ich persönlich aber ziemlich kritisch sehe, sind die “Heldenverehrungen” von Pflegekräften – denn das verstärkt noch die Dissonanz zwischen dem eigenen Selbstbild (also dem Wissen, dem eigenen beruflichen Ideal nicht gerecht werden zu können) und der (fachlich inkompetenten) Außenwelt, welche diese Leistung des schieren “Durchhaltens” honoriert.
Es muss sich etwas langfristig und grundlegend ändern!
Und das sehr bald! Sonst ist “nach der Pandemie” gleichbedeutend mit “nach einem funktionierenden Gesundheitswesen”.
Langfristig müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden. Es kann nicht sein, dass ein planbares Privatleben eher eine Ausnahme als die Lebensrealität darstellt. Es braucht mehr Personal und bessere Fortbildungsangebote. Und das ist erst der Anfang!
Aber das ist in der aktuellen Situation weder kurzfristig umsetzbar, noch würde es die Belastungen reduzieren. Das Einzige, was aktuell helfen könnte, die Belastungen zu senken, wären konsequente Kontaktbeschränkungen in der gesamten Bevölkerung mindestens bis sich die Lage in den Kliniken entspannt und die Ausbrüche in den Pflegeeinrichtungen zurückgehen. Wir dürfen noch gespannt sein, ob und wann das kommen mag.
Wir sind nun an dem Punkt, an dem wir uns die Frage stellen müssen: Ist uns unser Gesundheitswesen, wie wir es bisher kannten, wirklich diese Anstrengungen wert? Können und wollen wir uns den Verzicht auf diese Anstrengung leisten? Oder beschweren wir uns lieber, wenn das ganze System an die Wand gefahren wurde?
Naja, vielleicht nach Weihnachten oder im Neuen Jahr!
Prioritäten – so wichtig!
Heute entgegen der Ankündigungen keine Fortsetzung von letzter Woche – ich befinde mich schließlich in der Zwangspause! Das kommt im neuen Jahr, versprochen 😉
Mit besten Grüßen aus der selbstgewählten, kuschelig-gemütlichen
Familien-Weihnachts-Vor-Quarantäne! Bleibt gesund
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